top of page
  • AutorenbildJanis Meißner

Ein Hund zieht ein – Neues Leben, neues Ich


Es ist schon verrückt, wie sich doch irgendwie findet, was zusammengehört. Mila war keiner der Hunde, die wir uns im Tierheim zum kennenlernen ausgesucht haben.

Ganz im Gegenteil, während wir gerade im Innenhof des Tierheims auf eine Antwort warteten, sah ich eine ziemlich nett wirkende Frau. Die Hündin an ihrer Seite habe ich gar nicht wahrgenommen, denn sie versuchte sich, aus Ängstlichkeit, so klein wie möglich zu machen. Aus irgendeinem Grund kamen wir (Kevin und ich) mit der Frau ins Gespräch. Wie das dann so ist sprachen wir über die typischen Small-Talk-Themen aber dann natürlich auch über Persönliches. Dabei merkte ich plötzlich wie sich irgendetwas kleines an meine Beine drückte. Das war Anna, die Frau war ihre Gassigängerin. Offenbar tat Anna sowas sonst nicht, sie hatte aber gemerkt, dass wir wohl keine Gefahr mehr darstellten. Und obwohl wir uns eigentlich nicht wirklich für Anna interessierten, war da doch irgendwas an ihr. Sie blieb uns von allen anderen Hunden direkt im Kopf und Herz.

Ein paar Tage später sind wir dann nochmal ins Tierheim gefahren, wir brauchten einige Zeit um darüber nachzudenken, denn so eine Entscheidung muss wohl überlegt sein und die Ängstlichkeit eines Hundes kann auch ganz schön einschüchtern. Natürlich gehen einem Fragen durch den Kopf – Können wir es schaffen den Hund zu erziehen? Wird der Hund jemals frei laufen können? Was wenn es ein „Problemhund“ wird? Könnte sie durch die Angst auch aggressiv werden? Werden wir dem Hund geben können was er braucht? etc. Damals wussten wir noch nicht, dass diese Entscheidung schon längst getroffen wurde. Wir haben Anna also dann zum zweiten Mal besucht, wir durften mit ihr im Innenhof des Tierheims umherlaufen und uns etwas annähern. Die Arme war so ängstlich. Aber: trotz ihrer großen Angst konnte man spüren, wie sie sich Mühe gibt, wie sie lernen und ein gutes Mädchen sein will. Nach drei weiteren Besuchen und zwei Gassigängen auf der Wiese hinter dem Tierheim war es dann soweit. Voller Freude aber auch Ungewissheit holten wir unsere Mila ab. Neues Leben – Neuer Name. Wir standen eine ganze halbe Stunde im Nieselregen weil wir den Hund schonend ans Auto gewöhnen wollte, Sie sollte selbst hineinsteigen… Aber dazu konnte sich Mila noch nicht überwinden. Tapfer hielt sie aber den ganzen Weg von Gelnhausen nach Frankfurt durch, bis sie sich in der allerletzten Kurve übergeben musste…. In der Wohnung angekommen lief Mila völlig aufgeregt herum um eine geeignete Zuflucht zu finden, schließlich entschied sie sich in einem engen Gang vor der Zimmertür zu liegen. Dort lag sie dann auch erstmal (ausgenommen Pipi-Pausen) für den Rest des Tages, bis wir sie schließlich zum Schlafen mit ins Schlafzimmer nahmen. Da sie so große Angst hatte, wollte sie nur unter einem kleinen Tisch schlafen, also haben wir spontan die Steckdosen mit Babysicherungen gesichert, das offene Ende mit einer Pappe abgeklebt und ihr eine kleine Liegematte unter den Tisch gelegt – Die erste Nacht im neuen Zuhause. Diese war sicherlich ziemlich gruselig, in einer fremden Umgebung, alleine mit diesen komischen Menschen und voller Unsicherheiten. Die nächsten Tage waren ziemlich spannend aber wenig ereignisreich. Mila traute sich weder zu fressen noch zu trinken, daher stellten wir ihr einen Wassernapf und eine Schale Trockenfutter direkt unter den Tisch, sie sollte sich so sicher fühlen wie es geht. Am zweiten Tag traute sie sich dann auch zu trinken, aber nur, wenn man nicht hinschaute. Zwei Tage später fraß sie dann auch endlich zum ersten Mal. Außer schlafen, träumen und verarbeiten passierte erstmal nicht viel.

Da sie noch nicht stubenrein war, passierte hin und wieder ein Missgeschick, nach zwei Wochen hatte sie aber dann auch gelernt, dass sich die Menschen irgendwie darüber freuen wenn sie auf die Wiese macht.

So langsam wurde Mila auch neugierig nach uns, und schlief auch nicht mehr nur in der „ich-kann-jede-Sekunde-lossprinten“-Position sondern sogar ganz entspannt auf der Seite. Erste Gassigänge am Angstgeschirr wurden möglich – etwas chaotisch aber schön. Wir konnten immer weiter und länger spazieren gehen, denn Milas Toleranzschwelle gegenüber Neuem erhöhte sich mit jeder Routine.

Routine – das Motto der ersten Wochen. Nur die gleichen Wege, Abläufe und Verhaltensweisen gaben Mila ein Gefühl von Sicherheit, sobald eine Kleinigkeit abwich war es direkt gruselig und stressig. Aber mit jeder wiederholten Routine konnte man einen winzigen Schritt vorwärts gehen, und diesen winzigen Schritt dann auch in die Routine integrieren.


So nahm das ganze Abenteuer langsam Fahrt auf. Mit jeder Routine, jeder Stunde Mila-Schlaf und jeder vorsichtigen Kuscheleinheit konnten wir langsam zusammenwachsen und Vertrauen aufbauen.

Viel Geduld, Nachsicht und Verständnis, viel Draußen-Zeit und Liebe gehörten oder gehören aber auch mit ins Rezeptebuch.

28 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page