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  • AutorenbildJanis Meißner

Die Angst des Hundes ignorieren


Die Angst des Hundes ignorieren: Das ist tatsächlich eine empfohlene Trainingsmethode. Ich kann den Ansatz dahinter, den Hund nicht für sein Angstverhalten zu loben schon gut verstehen, allerdings war diese Methode bei unserer (Angsthündin) Mila nicht besonders erfolgreich. Nachdem wir es einige Wochen mit dieser Methode probiert haben, Mila durch das Ignorieren ihrer Angst und „einfach-so-tun-als-sei-alles-in-ordnung“ durch die gruseligen Situationen am Angstgeschirr quasi hinter uns „herzuziehen“, haben wir diese Art des Trainings glücklicherweise verworfen. Ich kann nicht für jeden Hund oder Halter sprechen, da jedes Team ja auch individuell und auch das Hundeverhalten der Situation und dem Charakter entsprechend immer wieder neu bewertet werden muss, also spreche ich hier lediglich von unserem eigenen Trainingsansatz und den damit verbundenen Erfahrungen mit Mila.

Nach einiger Verzweiflung, Reflektion sowie neuem Brainstorming und Austausch sind wir auf neue Ideen gekommen:


Der Begriff „Angsthund“ wurde erstmal aus unserem Vokabular verbannt. Er hilft weder uns noch dem Hund, nur denjenigen, die den Hund nicht kennen und flüchtige Bekanntschaften darstellen hilft es das Verhalten des Tieres zu verstehen. Aber wir würden mit dem Begriff auch vielleicht unbewusst den Hund in die Schublade „Angsthund“ stecken, unsere Einstellung bzw. unser Mindset spiegelt sich sehr stark in Milas Verhalten wieder. So ist sie bspw. viel unsicherer oder ängstlicher, wenn der Mensch ihr mit undeutlichen Signalen, Unsicherheit oder Angst begegnet. Mit dem Löschen des Begriffes haben wir auch unser Mindset gegenüber dem Hund geändert. So ist sie kein Angsthund mehr sondern einfach ein Hund, der sich seinen Ängsten stellen wird.

Neben dem Begriff haben wir auch versucht uns in Mila’s Lage zu versetzten: Wie würde ich mich fühlen, wenn ich irgendwelche schrecklichen Erlebnisse gemacht habe und wie würde ich gerne in Angstsituationen von meinem Rudel bzw. Familie oder sogar Eltern behandelt werden, welches Verhalten würde mir helfen?


Also haben wir angefangen, statt den Hund an der gruseligen Tüte, die im Wind weht, einfach vorbeizuziehen und sie so in ihrer Angst alleine zu lassen, an der Tüte stehen zu bleiben und sich hinzuhocken. Alleine mit dieser kleinen Geste konnten wir Mila zeigen, dass wir ihre Angst verstehen, sie ernst nehmen aber selbst genau wissen, dass diese Situation nicht schlimm ist. Sie hat gemerkt: Ich habe Angst – meine Menschen reagieren. Durch das Hocken konnten wir auch eine „Schutzmauer“ bilden. Das war vermutlich auch das Entscheidende. Denn dadurch wurden wir zum Rudelführer, zu einer starken Person, die die Welt kennt und Sicherheit vermittelt, die die Angst sieht und die Schwachen beschützen kann. – zu einer Person, der man Vertrauen kann.

Mila hat Beistand in diesem Angstmoment bekommen, sonst wurde aber nicht weiter darauf reagiert, die Situation wurde nun aber gemeinsam „ausgehalten“.

Durch die Erleichterung, nicht in der gruseligen Situation alleine zu sein, sondern jemanden zu haben, der einem durch die Angst hilft, konnte sie sich auch immer mehr entspannen. Und dann wurde sie gestreichelt und dafür gelobt, dass sie so ein mutiges Mädchen ist. Somit wurde nicht das Angsthaben sondern das Entspannen in der Angstsituation belohnt und noch dazu ein tolles Gefühl gegeben weil man eben so mutig ist und nicht mehr am ganzen Körper zittert.


Obwohl sich diese Methode sehr bewährt hat und Milas Selbstbewusstsein immer größer wurde, gab es auch ab und an Situationen in denen dies nicht funktioniert hat. Wir mussten immer abwägen wo ihre Toleranzschwelle lag, es gibt bzw. gab einfach Situationen, in denen das Trauma zu tief sitzt, als dass sie sich entspannen konnte. Sie diesen Situationen auszusetzten hat bzw. hätte wenig gebracht und vielleicht auch das Vertrauen gemindert. Und das Vertrauen ist das Allerwichtigste bei der Arbeit mit unserer unsicheren Mila, denn dadurch konnte man sie zu sehr viel ermutigen und dann eben auch für ihren Löwenmut loben.

Auch wenn das mit dem Entspannen mal nicht geklappt hat, so haben wir Mila immer gezeigt, dass wir sie verstehen, ihre Angst erkennen und sie beschützen. Wenn die Situation für sie nicht auszuhalten war, hat man versucht ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken, und sie dann dafür belohnt und aus der Situation entlassen und dann wieder gelobt. Wenn sie aber aufgrund des Stresses nicht in der Lage war die Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken, haben wir die Situation verlassen aber das Training nicht beendet. Die Situation wurde nur direkt in einer abgeschwächteren Version wiederholt, sodass der Hund für den Mut belohnt werden kann und die abgeschwächte Situation mit einem positiven Erlebnis beendet wird.


Generell haben wir immer darauf geachtet jede Situation mit einem positiven Gefühl zu verlassen. Das war für Mila aber auch für uns wichtig. Denn die Arbeit mit ihr konnte manchmal etwas frustrierend sein und wie schon gesagt: das Mindset ist sehr wichtig!

Alles in allem nahm das Training einige Zeit, Nerven, Toleranz- und Frustrationsschwellen in Kauf, aber es hat sich zu 100000% gelohnt. Mila hat ein unerschütterliches Vertrauen in uns, wir aber auch in sie. Außerdem ist sie immer bereit sich auf neue Dinge einzulassen und sich Situationen zu stellen, solange sie merkt, dass wir wissen was wir tun. Sie ist unglaublich mutig geworden und mein Herz füllt sich bei jeder kleinen Windböe oder lautem Geräusch usw. mit Freude, denn heute bleibt sie ruhig. Als sei es das normalste auf der Welt.

Wie gesagt, dies sind nur unsere individuellen Erfahrungen mit unserer Hündin Mila, jeder Hund ist individuell und jede Situation für sich selbst zu beurteilen. Uns hat es aber geholfen eine solide Vertrauensbasis und Bindung herzustellen.

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